Projekte
Forschung
Um 1900 wurden in den meisten der 25 kantonalen psychiatrischen Anstalten in der Schweiz, ebeso wie in ganz Europa, ab und zu Bilder, Zeichnungen oder anderes künstlerisches Schaffen von Patientinnen und Patienten aufbewahrt. Die Werke sind dichte und sehr verschiedenartige Statements auf ästhetischer Ebene dazu, wie Normalität um 1900 verhandelt wurde.
In manchen Anstalten wurde sogar eine Sammlung angelegt und in einem kleinen Museum gezeigt. Psychiater traten forschend an die Werke heran. Sie fragten, ob Begabung gesund oder ob Genialität ein Zeichen von Geisteskrankheit sei. Sie betteten die Werke in diagnostische, wahrnehmungs- und kunstpsychologische Fragestellungen ein und deuteten sie in der Therapie. Sie suchten nach dem Ursprung von künstlerischem Ausdruck und verglichen die Werke mit moderner, aussereuropäischer oder mittelalterlicher Kunst. Die Psychiater Walter Morgenthaler oder Hans Steck waren von den Werken ihrer Patienten Adolf Wölfli oder Aloyse Corbaz tief beeindruckt und stellten sie der Kunst der Avantgarde als ebenbürtig zur Seite. Die aktuelle Forschung untersucht die diskursiven Einbettungen und die gesellschaftliche Dynamik, die diesen oft sehr komplexen Laienwerken innewohnt. Künstlerisches Schaffen war eine mögliche Strategie des Überlebens in der schwierigen Situation des Ausschlusses vom öffentlichen Leben.
Das Forschungsvorhaben «Bewahren besonderer Kulturgüter I und II» (Projekt I: 2006–2008, Projekt II: 2010–2014) wurde vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützt und war an der Zürcher Hochschule der Künste, Institute for Cultural Studies (Prof. Sigrid Schade) angesiedelt.
Projektleitung Prof. Dr. Katrin Luchsinger, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen lic. Phil. Iris Blum, Jacqueline Fahrni (Projekte I und II), Florence Choquard Dr. phil. (Projekt II), Isabelle Dessort-Baur, Anita Rufer (Projekt I).
Ausstellungen
HINTER MAUERN. Fotografie in psychiatrischen Einrichtungen 1880 bis 1935
Kunstmuseum Thurgau, Katrin Luchsinger, Stefanie Hoch (Hrsg.)
Ausstellungsstationen
Sammlung Prinzhorn, Universitätsklinikum Heidelberg
24. 3. bis 31.7.2022
Kunstmuseum Thurgau
2.10.2022 bis 16.4.2023
Psychiatrie Museum Bern,
26.5.2023–April 2024
mit Katalog d/e, siehe Publikationen
Extraordinaire! Unbekannte Werke aus psychiatrischen Einrichtungen in der Schweiz um 1900
Ausstellungsprojekt und Begleitprogramm
Ausstellungsstationen
Sammlung Prinzhorn, Universitätsklinikum Heidelberg
11.10.2018 bis 20.1.2019
Kunstmuseum Thun
9.2.2019 bis 19. Mai 2019
LENTOS Kunstmuseum, Linz
7.6.2019 bis 18.8.2019
Vermittlungsprogramm
Workshops / Wissenschaftscafé / Unterrichtsprojekt «Atelier inklusiv / Tagung: «Rohe Kunst?», Zurich University of the Arts, June 10, 2019
mit Katalog d/e, siehe Publikationen
Gefördert von SNF/Agora, Pro Helvetia
Auf der Seeseite der Kunst. Werke aus der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen 1894–1960
Ausstellungsstationen
Museum im Lagerhaus, St.Gallen
2.12.2014 bis 8.3.2015
Staatsarchiv Thurgau, Frauenfeld
1.4.2015 bis 22.5.2015
mit Katalog, siehe Publikationen
Rosenstrumpf und dornencknie. Werke aus der Psychiatrischen Pflegeanstalt Rheinau 1867–1930
Ausstellungsstationen
Museum im Lagerhaus, St. Gallen
1.12.2010 bis 13.3.2011
Medizinhistorisches Museum der Universität Zürich
2011
mit Katalog, siehe Publikationen
Der Himmel ist blau. Werke aus der Sammlung Morgenthaler
begleitend zur Ausstellung «Adolf Wölfli Universum. Eine Retrospektive»
Ausstellungsstation
Kunstmuseum Bern
1.11.2008 bis 18. Mai 2009
Publikation: Pläne. Werke aus psychiatrischen Kliniken in der Schweiz 1850–1920, siehe Publikationen
Unterricht
Zürcher Hochschule der Künste, Bachelor Art Education
Semesterprojekt: «Atelier inklusiv»
Vom Arbeiten und Ausstellen auf Augenhöhe, eine inklusive Kollaboration
Studierende des Bachelor Art Education und künstlerisch tätige Menschen mit Beeinträchtigung treffen sich zu einem Austausch auf Augenhöhe. Dafür öffnet die ZHdK ihre Türen. Klient*innen und Studierende arbeiten zusammen an ihren Projekten und entwickeln neue Formen der Zusammenarbeit.
Ein Projekt von
Stefan Wettstein, Christian Vetter, Katrin Luchsinger
Assistierende
Matthias Graber, Michelle Schuhmacher, Matthias Sohr
In Kooperation mit den Ateliers für Künstler:innen mit besonderen Voraussetzungen
Atelier Tilia, Rheinau
Kubeis, Kunstwerkstatt an der Lorze, Cham
Stiftung RGZ Rauti
Stiftung Züriwerk, Hunzikerareal
wohnstätten zwyssig
Atelier Rohling, Bern
Heimstätten Wil und Living Museum Wil
Volkshochschule Zürich
Jonne van Galen, Katrin Luchsinger, Ringvorlesung «Outsider Art»
Mit Vorträgen von Paul Hoff Prof. Dr. Dr., Monika Jagfeld, Dr., Katrin Luchsinger, Dr., Geraldine Wullschleger